Heiliges Grab von Ellhofen
Das Heilige Grab in der Pfarrkirche St. Peter und Paul Kirche in Ellhofen
von Gerd Zimmer:
Seit dem 9. Jahrhundert errichtete man im christlichen Abendland Nachbildungen des sogenannten Heiligen Grabes von Jeru-salem. Die Zeit der Kreuzzüge (etwa 11. bis 13. Jhd.) brachte eine Intensivierung dieser spektakulären Darstellungsform vom Grabe Jesu. So nahmen die Pilgerfahrten in das Heilige Land am Ende des Mittelalters gar wieder zu und dieselben förderten das
Interesse an solchen Architekturkopien (vgl. das bekannte Hl. Grab in St. Anna in Augsburg von 1508). Vor allem aber die Zeit der Gegenreformation und die Epoche des Barock liebten dieses Thema und entfalteten es in einer sakralen Prachtdarstellung. Was hat dieser Brauch für eine Bewandtnis? Der Brauch: Wenn am Karfreitag nach der Kreuzverehrung und der Kommunionfeier der Hauptaltar abgeräumt und die Kirchenfenster verhängt werden, legte man ursprünglich das Altarkreuz oder auch nur den Korpus Christi (ohne Kreuz !)in ein Heiliges Grab, das ursprünglich an einem Nebenaltar oder in einer Seitenkapelle errichtet worden war. Somit wurde der Gemeinde verdeutlicht, dass der geschändete Leib von Jesus ohne Hoffnung in einem Grabe lag. Eine Monstranz im oder am Grab und eine brennende Kerze waren meist die einzigen Hinweise darauf, dass diese Stätte für Christus keine letzte Ruhestätte sein würde.
Im süddeutschen Raum gehörten etwa seit dem 12. Jhd. aufgesteckte bunte Glas-kugeln zum Heiligen Grab. Die vielfach aus venezianischen Glashütten kommenden Kugeln wurden durch dahinter aufgestellten Öllämpchen erleuchtet. Das flackernde Licht verlieh der Szene eine geheimnisvolle Atmosphäre. Leider sind diese Heiligen Gräber heute weitgehend aus unseren Kirchen verschwunden. Dabei hat neben dem Geburts- und Hinrichtungsort keine Stelle die Christen im Heiligen Land stärker fasziniert als die Grablegungs-stätte von Jesus Christus. Der Auf- und Abbau der Heiligen Gräber waren sehr arbeitsaufwändig. Und die Liturgiereform von 1955, sowie die etwas nüchterne Zeit in der wir leben, haben aber den Brauch der Aufstellung eines Heiligen Grabes fast verkommen lassen. Aber es gibt auch wieder eine Rückbesinnung zu diesem alten Brauchtum, unter Weglassung des reinen Spektakels. Heiliges Grab in der Kirche St. Peter und Paul in Ellhofen. Das Heilige Grab von Ellhofen wurde vermutlich jedes Jahr mit großem Aufwand im Chorrraum errichtet. Es ist anzunehmen, dass es als Passionstheater gedient hat. Auch in Oberstaufen, Weiler oder auch im benachbarten Vorarlberg wurden noch im 18. Jahrhundert solche religiösen Theater innerhalb der Kirchen aufgeführt. Die Art der Malerei lässt die Entstehung vermuten. Das Heilige Grab dürfte in der Zeit um 1720/30 angefertigt worden sein. Also in der Epoche, als bei uns in Süddeutschland das Barock sich in seiner Blüte entwickelt hatte. Nach Pfarrer Michael Raich soll das Gesamtbühnenbild 1836 von einem Simmerberger Maler, namens Heim, gründlich renoviert, bzw. neu gemalt worden sein. Allerdings ist so viel ursprüngliche Farbsubstanz erhalten, dass sich die Restauration vermutlich nur auf Nebensächlichkeiten beschränkte, nämlich den Vorhang und eine Aufschrifttafel. Bei allem Übrigen handelt es sich – wie bereits erwähnt – um die originale Malerei des früheren 18. Jahrhunderts. Dieser Simmerberger Restaurator darf als ein umsichtiger und sachverständiger Maler bezeichnet werden. 1764 weist eine Position einer Ellhofer Rechnung auf den Abbruch des Kirchentheaters hin.
Kurze Vorstellung des Heiligen Grabes von Ellhofen.
Der Unterbau und die Mitte zeigen das Kreuz Christi als Zeichen der Erlösung. An das letzt genannte christliche Symbol sind sowohl der Tod als auch der Teufel angekettet. Die beiden Seiten stellen auf den zum Chor weisenden Teil den Stammbaum Marias dar, der sich aus Abrahams Schoß entwickelt hatte.
Auf der Türtafel wird dem Betrachter der Sündenfall der Menschheit angedeutet. Hier sind unsere Stammeltern Adam und Eva unter einem Apfelbaum dargestellt. Darüber erkennt man zwei Bildtafeln mit den Szenen, die das Leiden Christi symbolisieren, nämlich die Geißelung und die Dornenkrönung. Die aus Holz gefertigten Kulissen, welche diese Schaubühne umrahmen, sind jeweils mit einem weissagenden Propheten aus dem alten Bund bemalt. Über der Gesamt-konzeption tragen nette typisch gestaltete Barockengel die Marter-Werkzeuge, die wir aus der Leidensmission Christi kennen. Die Malerei ist das Werk eines für die damalige Zeit hervorragenden, aber unbekannten Künstlers. Es könnte sein, dass der Maler sich damals auf der Durchreise in unserer Gegend befand. Es war damals üblich, dass z. B. Kirchenmaler, die im Moment keinen Auftrag zu erledigen hatten, solche kleineren Arbeiten gerne angenommen hatten, ehe sie weiterzogen,
z. B. in Richtung Südtirol oder Oberitalien. Das Besondere an diesem Ellhofer
Heiligen Grab besteht aber darin, dass es in der Region wohl die einzig erhaltene Schaubühne ist, die noch aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammt, um geistliche Schauspiele auf spektakuläre Weise durchführen zu können. In Ellhofen war bis zum ersten Drittel des 19. Jahrhunderts eine weithin bekannte Theater- tradition vorhanden. Vor allem großartige Passionsspiele, ganz im Geiste des Jesuitentheaters, wurden hier vor Ort praktiziert. Leider fand dieses großartige Spektakel ein jähes Ende; bedingt durch neue bayerische Verordnungen. Das letzte Passionsspiel, das in unserem Ort aufgeführt wurde, fand im Jahre 1823 statt.
Bilder: L. Hodrius
u.
Text G. Zimmer
Die Heiligen Gräber von Scheffau
Erhalten sind fünf Kulissenebenen, zwei Grabwächter und zwei Rundbögen für Glaskugeln und Kerzen (Abb.1). Es handelt sich um aufwändig bemaltes Nadelholz. Der erhaltene Leichnam Christi, der sogenannte Grablieger, besteht aus bemaltem Gips und ist Ende des 19. Jhs. entstanden. Wie bei einer barocken Bühne führen die Kulissen perspektivisch in die Tiefe. Geprägt ist der Aufbau von der ersten Ebene mit Maria und Johannes, einer imitierten Marmorarchitektur und einer großen und schwungvollen Bekrönung.
Links unten steht Maria, das Herz von einem Schwert durchbohrt. Ihre Hände hält sie vor der Brust gekreuzt. Auf der anderen Seite befindet sich Johannes. Er hat die rechte Hand über die Brust gelegt, in der linken hält er wahrscheinlich das Schweißtuch Jesu. Beide haben einen Heiligenschein, sind einander zugewandt und halten Blickkontakt. (Abb.2).
Das Hauptaugenmerk zieht die prächtige Bekrönung auf sich, die sich dynamisch nach oben verjüngt (Abb. 3a). Sechs Engel oder eher Putti prägen das Bild. Den Mittelpunkt bildet das Schweißtuch der Veronika mit dem Antlitz Christi, gehalten von zwei Engeln. Darüber prangt, eingebettet in Wolken und Strahlenkranz, das Holzkreuz, das zwei weitere Engel gen Himmel tragen (Abb. 3b). Der Leichnam Christi ist abgenommen. Am Kreuz verblieben das flammende Herz mit Dornenkrone, die INRI-Inschrift, die Nägel und, mit einem Seil am Stamm festgebunden, die Lanze und der Ysopstängel samt dem Essig-getränkten Schwamm. Die beiden äußeren Engel tragen den Abendmahlkelch und weitere Leidenswerkzeuge Jesu („Arma Christi“) wie Seile, Ketten, Zange und den Becher für Galle und Essig, vielleicht auch den Würfelbecher der römischen Soldaten. Es fällt auf, dass alle Putti angestrengt nach unten blicken. Wahrscheinlich schauen sie auf die Hostien-Monstranz, die sich wohl in der ovalen Öffnung befand und in der Osternacht oftmals durch den Auferstandenen ersetzt wurde (vgl. Abb. 1, 6 und 8).
Zum Grabaufbau gehören ferner zwei das Grab bewachende Soldaten, zwei frei stehende Bögen mit Kugelhaltern sowie die Kulissen der zweiten und dritten Ebene mit Architekturelementen und Wolkenkränzen, die von Putti belebt werden.
Wann entstand das Heilige Grab in Scheffau?
Die Kunsthistoriker sind sich weitgehend einig, dass das Scheffauer Heilige Grab aus dem 18. Jh., also aus barocker Zeit, stammt. Ein Vergleich mit der Kirchengeschichte bietet sich an. 1694 wurde Scheffau eine eigene Pfarrei und baute eine neue Kirche. Es könnte gut sein, dass in den Folgejahren ein Heiliges Grab angeschafft wurde. In den Jahren 1787/88 erfolgte eine Erweiterung, bei der anscheinend die jetzige barocke Ausstattung hinzukam. Der Hochaltar soll gar aus dem Kloster Mehrerau stammen. Die Finanzen waren freilich klamm, denn im Scheffauer Urbar heißt es: „Die Kapitalien (sind) alle 1788 verbaut worden an hiesiger Kirche.“ Zudem waren die Heiligen Gräber unter dem aufgeklärten Kaiser Josef II (1765 – 1780) verboten. Es spricht also Einiges dafür, dass das Heilige Grab in die erste Hälfte des 18. Jhs. gehört, wozu auch der Malstil am besten passen würde.
Die Restaurierung des Heiligen Grabes
Im Jahr 2016 kam in Scheffau, wie neuerdings in vielen Pfarreien, der Gedanke auf, das Heilige Grab zu restaurieren und wieder aufzustellen. Aus der vagen Idee wurde ein konkretes Vorhaben, weil es tatkräftige Befürworter und Unterstützer gab, angefangen vom Bistum Augsburg über das Landesamt für Denkmalpflege und die Untere Denkmalschutzbehörde bis hin zur Kirchenverwaltung und dem Pfarrgemeinderat von Scheffau sowie vor allem Herrn Pfarrer Dr. Gaida.
Es wurden mehrere Angebote angefragt. Den Zuschlag erhielt die erfahrene Diplomrestauratorin Heide Tröger aus Kempten. Im Sommer 2018 holte sie die Kulissen ab und brachte sie in ihr Atelier nach Kempten. Die Restaurierungsarbeiten betrafen zunächst die Stabilisierung der einzelnen Kulissen. Auch wenn sie relativ gut erhalten waren, musste doch einiges ertüchtigt werden. Anschaulich nachvollziehbar ist dies auf der Rückseite der Bekrönung (Abb. 4). Sie besteht aus fünf horizontalen Brettern mit Anstückungen. Von den beiden schrägen Einschubleisten, die die Bretter vertikal stabilisieren, musste die rechte ergänzt werden. Durch Holzschwund hatten sich zwischen den waagrechten Brettern Lücken von ca. 1 cm gebildet. Sie wurden mit einer speziellen Leinwand geschlossen.
Im Mittelpunkt der Restaurierungsarbeiten stand die Reinigung und Konservierung der Malereien: Spätere Überzüge wurden abgenommen und die ausgeprägten Schmutzschichten entfernt. Die Grabwächter, die in ganz schlechtem Zustand waren, sind nicht nur farblich hergerichtet worden, sondern sie haben auch ihre abgebrochenen Lanzen wieder erhalten (Abb. 5).
Bei der provisorischen Kombination der Kulissen zeigte sich, dass wichtige Teile des Grabes fehlen. Dazu gehören u.a. die Grabkammer, ferner der Hintergrund im Zentrum des Hl. Grabes und vor allem das Gerüst, das einst die ganze Installation hielt. Zur Aufstellung sind diese Elemente unerlässlich. Während ein einfacher Holzkasten als Grab unschwer zu ergänzen ist, ist die Herstellung des Tragegerüsts kompliziert. Sebastian Schlaud, Architekt und Schreiner aus Isny, baute deshalb ein Modell im M. 1: xxx (Abb. 6). Dieses kam um die Osterzeit 2019 nach Scheffau, ein guter Zeitpunkt, um es der Gemeinde zu präsentieren und die für das Folgejahr geplante Aufstellung zu veranschaulichen.
Kirchenpfleger und Schreinermeister Thomas Schneider und seine Mitarbeiter übernahmen die anspruchsvolle Aufgabe, die fehlenden Teile zu ergänzen. Zunächst zimmerten sie die Grabkammer, die innen in schlichtem Grau gehalten und somit als „neu“ erkennbar ist. Außen wurde sie im Stil der Kulissen marmoriert, um keinen Bruch zwischen Alt und Neu entstehen zu lassen. An der Rückseite ist gut erkennbar, was für die Erstellung der sogenannten Bühne, also die Haltevorrichtung für die Kulissen, wichtig ist (Abb. 7). In die historische Substanz sollte so wenig wie möglich eingegriffen werden, aber trotzdem müssen alle Kulissen fest stehen. Deshalb wurden in den Deckel der neuen Grabkammer Öffnungen für die alten Verzapfungen der Bühnenbilder geschnitten. Die Querlatten des neuen Gerüsts sind mit Nuten versehen, in die die einzelnen Teile eingreifen. So sind die Kulissen stabilisiert, ohne dass ihre Substanz leidet. Nur an wenigen Stellen brachte man, so vorsichtig wie möglich, neue Halterungen an.
Der Probeaufbau
Vor einigen Wochen wurde das Heilige Grab probeweise in der Kirche aufgestellt (Abb. 8). Es steht auf den Stufen des Altarraums, direkt vor der Mensa. Erst hier kann die Installation ihre Wirkung ganz entfalten. Das Scheffauer Grab ist nicht ausladend, sondern etwas kleiner als der Hochaltar. Tritt man ein paar Schritte zurück, erkennt man, welch ein harmonisches Bild dadurch entsteht. Die Architekturmalerei der Grabkulissen scheint sich in den realen Altarpfeilern fortzusetzen. Die Putten, die auf der Hochaltarbekrönung sitzen, machen den Eindruck, als ob sie die Engel, die das Kreuz tragen, bei ihren Aufgaben unterstützen wollten. Freilich muss man bedenken, dass es so wahrscheinlich nicht gemeint war, denn das Heilige Grab ersetzte in der Karwoche den Hochaltar, der normalerweise komplett verhüllt war.
Die Figur des Auferstandenen, der schon lange zum Inventar der Scheffauer Kirche gehört, passt genau in das Oval, das die fünfte Kulisse bildet. Der Leichnam Christi, der 1890 gekauft wurde, füllt die Grabhöhle aus. Blumenschmuck kommt ergänzend dazu. Dazu gehören prächtige Metallblumen – wahre Meisterwerke der Kunstschlosser vom Ende des 19. Jhs. -, die auf der Grabkammer stehen, während echte Blumen den Garten Gethsemane symbolisieren.
Vor der Grabkammer stehen zwei Kugelhalter für die bunten historischen Schusterkugeln. In den Kulissen gibt es Halterungen für 16 weitere kleine Glaskugeln, die als Nachfertigung aus der Glashütte Schmidsfelden stammen. Statt Kerzen illuminieren aus Sicherheitsgründen LED-Lichter die Glaskugeln. Die ganze Installation wird in mystischem Glanz erstrahlen, so wie es die Gläubigen über Jahrhunderte kannten und immer wieder begeistert schilderten. Eigentlich sollte das Heilige Grab am diesjährigen Osterfest präsentiert werden. Jetzt müssen die Scheffauer wegen der aktuellen Corona-Krise ein weiteres Jahr auf das neue „alte“ Heilige Grab warten - aber das sind sie ja seit über 100 Jahren gewohnt…
Zur Finanzierung beigetragen haben neben den ehrenamtlichen Helfern das Landesamt für Denkmalpflege, der Heimattag Lindau e.V., der Kirchenchor Scheffau, die Gemeinde Scheidegg und viele Scheffauer Bürger.
Quellen und Beratung
Prof. Dr. H. R. Sennhauser, Bad Zurzach
Archiv Scheffau (D.A.S)
Dr. S. Klotz, Diözese Ausgburg; M. Seeberg und A. Müller (BLFD); M. Habres (BlfD); D. Stoll-Mayer (Landratsamt Lindau); Dr. M. Schmid, Diözese Augsburg; S. Mensch, Diözesanmuseum Freising; B. Kleimaier, Kunstschmied, Erkheim.
Modell: Sebastian Schlaud
Restaurierung und Restaurierungsbericht: H. Tröger, Kempten
Konstruktion und Aufbau: T. Schneider, Scheffau
Fotos: A. Gretter, M. Pfanner, H. Tröger,
Abbildungen und Legenden
Abb. 1 Bestandsaufnahme vor der Restaurierung
Abb. 2 Seitenteile mit Maria und Johannes
Abb. 3a Bekrönung mit Engeln und Leidenswerkzeugen
Abb. 3b Detail mit Kreuz und Putti
Abb. 4 Bekrönung von hinten, oben vor und unten nach der Restaurierung
Abb. 5 Grabwächter vor und nach der Restaurierung
Abb. 6 Modell des Heiligen Grabes
Abb. 7 Rückseite mit Kulissenkonstruktion
Abb. 8 Probeaufbau im März 2020
Bilder und Text: Christa Pfanner-Birkeneder, 30. März 2020
In Scheffau gibt es sogar zwei Heilige Gräber, ein älteres, das nun wieder zu Ehren kommt, und ein zweites, das 1904 angeschafft wurde. Ein Teil des entsprechenden Briefwechsels ist erhalten. Der junge Pfarrer Johann Georg Schmid, der die Gemeinde gerade übernommen hatte, wollte ein neues, modernes Heiliges Grab, groß, hell und im Nazarenerstil auf Leinwand gemalt. Bis 1955 wurde diese Kulisse aufgestellt und im Lauf der Zeit immer mehr elektrifiziert, indem bunte Glühbirnen die farbigen Glaskugeln ersetzten.
Die Auferweckung des älteren Heiligen Grabes von Scheffau
Umso bemerkenswerter ist es, dass das alte Heilige Grab in Scheffau erhalten blieb. Es stammt wahrscheinlich aus der ersten Hälfte des 18. Jhs. und gehört somit zu den ältesten und bedeutendsten im Umkreis.
Das alte Heilige Grab
Erhalten sind fünf Kulissenebenen, zwei Grabwächter und zwei Rundbögen für Glaskugeln und Kerzen (Abb.1). Es handelt sich um aufwändig bemaltes Nadelholz. Der erhaltene Leichnam Christi, der sogenannte Grablieger, besteht aus bemaltem Gips und ist Ende des 19. Jhs. entstanden. Wie bei einer barocken Bühne führen die Kulissen perspektivisch in die Tiefe. Geprägt ist der Aufbau von der ersten Ebene mit Maria und Johannes, einer imitierten Marmorarchitektur und einer großen und schwungvollen Bekrönung.
Links unten steht Maria, das Herz von einem Schwert durchbohrt. Ihre Hände hält sie vor der Brust gekreuzt. Auf der anderen Seite befindet sich Johannes. Er hat die rechte Hand über die Brust gelegt, in der linken hält er wahrscheinlich das Schweißtuch Jesu. Beide haben einen Heiligenschein, sind einander zugewandt und halten Blickkontakt. (Abb.2).
Das Hauptaugenmerk zieht die prächtige Bekrönung auf sich, die sich dynamisch nach oben verjüngt (Abb. 3a). Sechs Engel oder eher Putti prägen das Bild. Den Mittelpunkt bildet das Schweißtuch der Veronika mit dem Antlitz Christi, gehalten von zwei Engeln. Darüber prangt, eingebettet in Wolken und Strahlenkranz, das Holzkreuz, das zwei weitere Engel gen Himmel tragen (Abb. 3b). Der Leichnam Christi ist abgenommen. Am Kreuz verblieben das flammende Herz mit Dornenkrone, die INRI-Inschrift, die Nägel und, mit einem Seil am Stamm festgebunden, die Lanze und der Ysopstängel samt dem Essig-getränkten Schwamm. Die beiden äußeren Engel tragen den Abendmahlkelch und weitere Leidenswerkzeuge Jesu („Arma Christi“) wie Seile, Ketten, Zange und den Becher für Galle und Essig, vielleicht auch den Würfelbecher der römischen Soldaten. Es fällt auf, dass alle Putti angestrengt nach unten blicken. Wahrscheinlich schauen sie auf die Hostien-Monstranz, die sich wohl in der ovalen Öffnung befand und in der Osternacht oftmals durch den Auferstandenen ersetzt wurde (vgl. Abb. 1, 6 und 8).
Zum Grabaufbau gehören ferner zwei das Grab bewachende Soldaten, zwei frei stehende Bögen mit Kugelhaltern sowie die Kulissen der zweiten und dritten Ebene mit Architekturelementen und Wolkenkränzen, die von Putti belebt werden.
Wann entstand das Heilige Grab in Scheffau?
Die Kunsthistoriker sind sich weitgehend einig, dass das Scheffauer Heilige Grab aus dem 18. Jh., also aus barocker Zeit, stammt. Ein Vergleich mit der Kirchengeschichte bietet sich an. 1694 wurde Scheffau eine eigene Pfarrei und baute eine neue Kirche. Es könnte gut sein, dass in den Folgejahren ein Heiliges Grab angeschafft wurde. In den Jahren 1787/88 erfolgte eine Erweiterung, bei der anscheinend die jetzige barocke Ausstattung hinzukam. Der Hochaltar soll gar aus dem Kloster Mehrerau stammen. Die Finanzen waren freilich klamm, denn im Scheffauer Urbar heißt es: „Die Kapitalien (sind) alle 1788 verbaut worden an hiesiger Kirche.“ Zudem waren die Heiligen Gräber unter dem aufgeklärten Kaiser Josef II (1765 – 1780) verboten. Es spricht also Einiges dafür, dass das Heilige Grab in die erste Hälfte des 18. Jhs. gehört, wozu auch der Malstil am besten passen würde.
Die Restaurierung des Heiligen Grabes
Im Jahr 2016 kam in Scheffau, wie neuerdings in vielen Pfarreien, der Gedanke auf, das Heilige Grab zu restaurieren und wieder aufzustellen. Aus der vagen Idee wurde ein konkretes Vorhaben, weil es tatkräftige Befürworter und Unterstützer gab, angefangen vom Bistum Augsburg über das Landesamt für Denkmalpflege und die Untere Denkmalschutzbehörde bis hin zur Kirchenverwaltung und dem Pfarrgemeinderat von Scheffau sowie vor allem Herrn Pfarrer Dr. Gaida.
Es wurden mehrere Angebote angefragt. Den Zuschlag erhielt die erfahrene Diplomrestauratorin Heide Tröger aus Kempten. Im Sommer 2018 holte sie die Kulissen ab und brachte sie in ihr Atelier nach Kempten. Die Restaurierungsarbeiten betrafen zunächst die Stabilisierung der einzelnen Kulissen. Auch wenn sie relativ gut erhalten waren, musste doch einiges ertüchtigt werden. Anschaulich nachvollziehbar ist dies auf der Rückseite der Bekrönung (Abb. 4). Sie besteht aus fünf horizontalen Brettern mit Anstückungen. Von den beiden schrägen Einschubleisten, die die Bretter vertikal stabilisieren, musste die rechte ergänzt werden. Durch Holzschwund hatten sich zwischen den waagrechten Brettern Lücken von ca. 1 cm gebildet. Sie wurden mit einer speziellen Leinwand geschlossen.
Im Mittelpunkt der Restaurierungsarbeiten stand die Reinigung und Konservierung der Malereien: Spätere Überzüge wurden abgenommen und die ausgeprägten Schmutzschichten entfernt. Die Grabwächter, die in ganz schlechtem Zustand waren, sind nicht nur farblich hergerichtet worden, sondern sie haben auch ihre abgebrochenen Lanzen wieder erhalten (Abb. 5).
Bei der provisorischen Kombination der Kulissen zeigte sich, dass wichtige Teile des Grabes fehlen. Dazu gehören u.a. die Grabkammer, ferner der Hintergrund im Zentrum des Hl. Grabes und vor allem das Gerüst, das einst die ganze Installation hielt. Zur Aufstellung sind diese Elemente unerlässlich. Während ein einfacher Holzkasten als Grab unschwer zu ergänzen ist, ist die Herstellung des Tragegerüsts kompliziert. Sebastian Schlaud, Architekt und Schreiner aus Isny, baute deshalb ein Modell im M. 1: xxx (Abb. 6). Dieses kam um die Osterzeit 2019 nach Scheffau, ein guter Zeitpunkt, um es der Gemeinde zu präsentieren und die für das Folgejahr geplante Aufstellung zu veranschaulichen.
Kirchenpfleger und Schreinermeister Thomas Schneider und seine Mitarbeiter übernahmen die anspruchsvolle Aufgabe, die fehlenden Teile zu ergänzen. Zunächst zimmerten sie die Grabkammer, die innen in schlichtem Grau gehalten und somit als „neu“ erkennbar ist. Außen wurde sie im Stil der Kulissen marmoriert, um keinen Bruch zwischen Alt und Neu entstehen zu lassen. An der Rückseite ist gut erkennbar, was für die Erstellung der sogenannten Bühne, also die Haltevorrichtung für die Kulissen, wichtig ist (Abb. 7). In die historische Substanz sollte so wenig wie möglich eingegriffen werden, aber trotzdem müssen alle Kulissen fest stehen. Deshalb wurden in den Deckel der neuen Grabkammer Öffnungen für die alten Verzapfungen der Bühnenbilder geschnitten. Die Querlatten des neuen Gerüsts sind mit Nuten versehen, in die die einzelnen Teile eingreifen. So sind die Kulissen stabilisiert, ohne dass ihre Substanz leidet. Nur an wenigen Stellen brachte man, so vorsichtig wie möglich, neue Halterungen an.
Der Probeaufbau
Vor einigen Wochen wurde das Heilige Grab probeweise in der Kirche aufgestellt (Abb. 8). Es steht auf den Stufen des Altarraums, direkt vor der Mensa. Erst hier kann die Installation ihre Wirkung ganz entfalten. Das Scheffauer Grab ist nicht ausladend, sondern etwas kleiner als der Hochaltar. Tritt man ein paar Schritte zurück, erkennt man, welch ein harmonisches Bild dadurch entsteht. Die Architekturmalerei der Grabkulissen scheint sich in den realen Altarpfeilern fortzusetzen. Die Putten, die auf der Hochaltarbekrönung sitzen, machen den Eindruck, als ob sie die Engel, die das Kreuz tragen, bei ihren Aufgaben unterstützen wollten. Freilich muss man bedenken, dass es so wahrscheinlich nicht gemeint war, denn das Heilige Grab ersetzte in der Karwoche den Hochaltar, der normalerweise komplett verhüllt war.
Die Figur des Auferstandenen, der schon lange zum Inventar der Scheffauer Kirche gehört, passt genau in das Oval, das die fünfte Kulisse bildet. Der Leichnam Christi, der 1890 gekauft wurde, füllt die Grabhöhle aus. Blumenschmuck kommt ergänzend dazu. Dazu gehören prächtige Metallblumen – wahre Meisterwerke der Kunstschlosser vom Ende des 19. Jhs. -, die auf der Grabkammer stehen, während echte Blumen den Garten Gethsemane symbolisieren.
Vor der Grabkammer stehen zwei Kugelhalter für die bunten historischen Schusterkugeln. In den Kulissen gibt es Halterungen für 16 weitere kleine Glaskugeln, die als Nachfertigung aus der Glashütte Schmidsfelden stammen. Statt Kerzen illuminieren aus Sicherheitsgründen LED-Lichter die Glaskugeln. Die ganze Installation wird in mystischem Glanz erstrahlen, so wie es die Gläubigen über Jahrhunderte kannten und immer wieder begeistert schilderten. Eigentlich sollte das Heilige Grab am diesjährigen Osterfest präsentiert werden. Jetzt müssen die Scheffauer wegen der aktuellen Corona-Krise ein weiteres Jahr auf das neue „alte“ Heilige Grab warten - aber das sind sie ja seit über 100 Jahren gewohnt…
Zur Finanzierung beigetragen haben neben den ehrenamtlichen Helfern das Landesamt für Denkmalpflege, der Heimattag Lindau e.V., der Kirchenchor Scheffau, die Gemeinde Scheidegg und viele Scheffauer Bürger.
Quellen und Beratung
Prof. Dr. H. R. Sennhauser, Bad Zurzach
Archiv Scheffau (D.A.S)
Dr. S. Klotz, Diözese Ausgburg; M. Seeberg und A. Müller (BLFD); M. Habres (BlfD); D. Stoll-Mayer (Landratsamt Lindau); Dr. M. Schmid, Diözese Augsburg; S. Mensch, Diözesanmuseum Freising; B. Kleimaier, Kunstschmied, Erkheim.
Modell: Sebastian Schlaud
Restaurierung und Restaurierungsbericht: H. Tröger, Kempten
Konstruktion und Aufbau: T. Schneider, Scheffau
Fotos: A. Gretter, M. Pfanner, H. Tröger,
Abbildungen und Legenden
Abb. 1 Bestandsaufnahme vor der Restaurierung
Abb. 2 Seitenteile mit Maria und Johannes
Abb. 3a Bekrönung mit Engeln und Leidenswerkzeugen
Abb. 3b Detail mit Kreuz und Putti
Abb. 4 Bekrönung von hinten, oben vor und unten nach der Restaurierung
Abb. 5 Grabwächter vor und nach der Restaurierung
Abb. 6 Modell des Heiligen Grabes
Abb. 7 Rückseite mit Kulissenkonstruktion
Abb. 8 Probeaufbau im März 2020
Bilder und Text: Christa Pfanner-Birkeneder, 30. März 2020